Suffizienz als Planungsstrategie

Felippi Wyssen
15. Februar 2024
Das Haus mit aussen liegender Erschliessung und einer Fassade aus Welleternit zeugt von Sparsamkeit. Zugleich ist es mit viel Pfiff gestaltet. (Foto: Rasmus Norlander)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Der damalige Wettbewerbsperimeter umfasste einen direkt an der Strasse stehenden Altbau und eine eingeschossige Autogarage im Innenhof. Der Wunsch der Bauherrschaft war, einen Wohnungsbau zu planen. Es gab keine Vorgaben bezüglich des Raumprogramms, der Anforderungen an den Wohnungsmix oder der Wohnungsgrösse. Zuerst haben wir die Makrosituation im Matthäusquartier analysiert und die Zielgruppe sowie die Mietzinsen betrachtet.

Das Matthäusquartier ist noch nicht von Gentrifizierung betroffen, daher gibt es viele Wohnungen zu attraktiven Mieten. Unsere Planung orientierte sich daran und setzte sich zusätzlich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. Nachhaltiges Bauen beinhaltet auch die Überlegung, wie viel überhaupt gebaut werden muss. Lapidar gesagt wäre es am besten, überhaupt nicht zu bauen. Deshalb war unser Ziel, Wohnungen mit reduzierter Quadratmeterzahl zu planen. Früher war es üblich, «effiziente» Wohnungen mit geringerer Fläche zu bauen. Erst in den letzten Jahren ist die Wohnfläche pro Person stark gestiegen. Im Jahr 2020 betrug sie laut dem Bundesamt für Statistik 46 Quadratmeter. Unsere 3.5-Zimmer-Wohnungen haben 60 m2; bei einer Belegung mit zwei Bewohnern kommen wir also auf 30 m2 Wohnfläche pro Person. So konnten wir unseren Ansatz umsetzen, die Wohnfläche pro Bewohner zu reduzieren und gleichzeitig mit der vorhandenen Bruttogeschossfläche mehr Wohnungen anzubieten.

Beim Wettbewerb war uns klar: Entweder teilt die Bauherrschaft unsere Haltung oder wir scheiden aus. Umso mehr haben wir uns darüber gefreut, dass unser Entwurf den Zuschlag erhielt.

Wie einst Gewerbebauten befindet sich das Wohnhaus im Hof einer Blockrandbebauung. (Foto: Rasmus Norlander)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Der Ausdruck unseres Gebäudes sollte roh und direkt sein, wir strebten eine industrielle Anmutung an – eine Hommage an die Gewerbebauten in den Innenhöfen von Basel. Dementsprechend haben wir auch viele einfache gewerbliche Strukturen und Gebäude untersucht. Bei der Organisation der Grundrisse hat uns das Lloyd’s Building von Richard Rogers inspiriert. Das Hauptvolumen weist eine einfache statische Struktur auf und ermöglicht grosse Flexibilität. Alle unterstützenden Elemente wie die Erschliessung, die Haustechnik und dergleichen wurden neben das Gebäude gestellt oder docken nur partiell an das Hauptvolumen an.

Gewerbebauten inspirierten die Architekten zur Gestaltung des neuen Hauses. Bei der Organisation der Grundrisse war ausserdem das Lloyd’s Building von Richard Rogers ein Vorbild. (Foto: Rasmus Norlander)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


In Basel war es früher die Regel, dass die grossen Innenhöfe, in denen sich die Gewerbegebäude befanden, vom Blockrand umschlossen wurden. Heutzutage wird das Gewerbe an die Peripherie ausgelagert, um Platz für den Wohnungsbau zu schaffen. Es war für uns inspirierend zu sehen, welche Gebäudetypologien, Dachgestaltungen, Materialien und so weiter für die alten Gewerbegebäude prägend sind.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Mit der Bauherrschaft hatten wir einen perfekten «Sparringpartner». Es wurden die richtigen Fragen gestellt und die Dinge kritisch hinterfragt. Auch das architektonische Verständnis war sehr gross. Die wertvollen Inputs haben das Projekt kontinuierlich vorangetrieben und verfeinert.

Wohn- und Essraum einer Wohnung. Die 3.5-Zimmer-Wohnungen beweisen, dass hohe Wohnqualität auch auf kleinem Raum möglich ist. (Foto: Rasmus Norlander)
Die Details wie dieser Radiator sind sorgfältig ausgestaltet. (Foto: Rasmus Norlander)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Bis auf die Statik wurde am Grundkonzept immer festgehalten. Anfangs war ein reiner Holzbau geplant, jedoch wurde im Zuge der Kostenoptimierung auf eine Hybridkonstruktion umgestellt. Im Verlauf der weiteren Planung hat sich dieser Wechsel als richtig erwiesen: Die äusseren Abmessungen des Hauses wurden durch die Grenzabstände festgelegt, während im Inneren die baugesetzlichen Normen galten. Die Wohnungsbreite durfte um keinen Zentimeter reduziert werden, da sonst beispielsweise barrierefreies Bauen nicht mehr möglich gewesen wäre. Durch den Einsatz von Beton für die Wohnungstrennwände konnten wir im Vergleich zu einer Holzkonstruktion mehr Platz gewinnen.

Das Projekt wurde noch vor Ausbruch der Coronakrise entwickelt, und ein Teil der Ausschreibungen erfolgte erst nach deren Beginn. Die Baukosten waren nach der Pandemie höher als ursprünglich geplant, weshalb bestimmte Details wie der Metallbau angepasst wurden. Die Massnahmen zur Kostenoptimierung haben jedoch letztendlich das Konzept weiter vereinfacht und zusätzlich gestärkt.

Ein Schlafzimmer im 4. Obergeschoss. Das Gebäude ist als Hybrid aus Holz, Beton und Metall konstruiert. (Foto: Rasmus Norlander)
Situation (© Felippi Wyssen Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss (© Felippi Wyssen Architekten)
Querschnitt (© Felippi Wyssen Architekten)
Bauwerk
Wohnhaus Oetlingerstrasse
 
Standort
Oetlingerstrasse 49, 4057 Basel
 
Nutzung
Mehrfamilienhaus
 
Auftragsart
Wettbewerb
 
Bauherrschaft
Pensionskasse Pensimo, Zürich
 
Architektur
Felippi Wyssen Architekten, Basel
Fabio Felippi, Thomas Wyssen, Andreas Mordasini, Patrick Cairoli, Bela Zwygart und Jonathan Burkard
 
Fachplaner 
Tragkonstruktion: Konstruktiv GmbH, Gränichen
HLKS-Planung: Waldhauser & Hermann, Münchenstein
Elektroplaner: Ramseyer Elektro AG, Muttenz
Sanitärplaner: Swissplan Gebäudetechnik GmbH, Basel
Bauphysik: Ehrsam & Partner, Pratteln
Landschaftsarchitektur: META Landschaftsarchitektur, Basel
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 4.38 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 3.85 Mio.
 
Gebäudevolumen 
2387 m3
 
Kubikmeterpreis
1612 CHF/m3
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeisterarbeiten: R. Soder Baugeschäft AG, Riehen
Holzbau: AZ Holz AG, Liestal
Stahlbau: Rytz AG, Zunzgen
Metallbau: R&R Metallbau, Birsfelden
Schreiner: Schreinerei Hochuli, Muttenz
Elektro: Ramseyer Elektro AG, Muttenz
Spenglerarbeiten: Danzeisen & Söhne AG, Basel
Malerarbeiten: Malergenossenschaft Basel, Basel
Plattenarbeiten: Reinhard Ott AG, Arlesheim
 
Fotos
Rasmus Norlander, Zürich und Stockholm

Vorgestelltes Projekt

EBP AG / Lichtarchitektur

Schulanlage Walka Zermatt

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