Frische Idee für Österreichs Pavillon: Wien und Rom im Vergleich

Elias Baumgarten
14. März 2024
Visualisierung: © Sabine Pollak, Michael Obrist und Lorenzo Romito

Dieser Artikel entstand für unser österreichisches Partnermagazin auf Austria-Architects.com.

Viele Menschen können es sich nicht mehr leisten, in Europas Städten zu wohnen, zu hoch sind die Mieten. Und wer doch genug Geld zusammenkratzen kann, muss oft mit Wohnungen zufrieden sein, die nicht recht zur heutigen Vielfalt an Lebensentwürfen passen mögen: Ihre Grundrisse scheinen noch aus einer Zeit zu stammen, als die Kleinfamilie die übliche Haushaltsform war. Bekannt ist all das schon lange. In den letzten Jahren wurden unzählige Architekturausstellungen rund um das Wohnen gezeigt. In Erinnerung ist zum Beispiel noch die Schau «Mehr als gewohnt» des Vorarlberger Architektur Instituts. Kurzum, dass eine Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema noch überrascht und neue Perspektiven eröffnet, ist nicht einfach. Doch den Kuratoren des österreichischen Beitrags zur 19. Architekturbiennale scheint das zu gelingen. Ihr Ansatz: Wien mit Rom vergleichen. 

Was bringt Michael Obrist, Sabine Pollak und den italienischen Aktivisten Lorenzo Romito auf diese frische Idee? Wien steht für das österreichisch-italienische Dreierteam für erfolgreichen «Top-Down-Wohnungsbau». Die Architektin Sabine Pollak, Professorin für Raum- und Designstrategien an der Kunstuniversität Linz, sagt: «Vieles, was in dieser Stadt in den letzten 100 Jahren entstanden ist, ist weltweit einzigartig, die ganze Welt schaut da hin. Doch nicht alles entwickelt sich zum Guten. Grundstücke werden rarer und teurer, die technischen Anforderungen steigen, architektonische Qualitäten werden gekürzt, es wird schwieriger, Gemeinschaft herzustellen.» Italiens Hauptstadt, in der Lorenzo Romito unterrichtet, steht dagegen für einen Bottom-Up-Ansatz: Verlassene Bauten, Ruinen und einstige Infrastrukturen werden dort besetzt und Bürogebäude zu Wohnhäusern umgebaut. Roms Behörden legalisieren zurzeit einige illegal entstandene Wohnräume und machen sie so zu Musterbeispielen. «Die beiden Modelle könnten nicht unterschiedlicher sein», fasst Michael Obrist zusammen, der an der TU Wien einen Lehrstuhl für Wohnbau innehat. 

Begeistert vom Vergleich der beiden Hauptstädte zeigt sich Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. Österreichs Beitrag biete Raum, um über Architektur zu reflektieren, sagt sie, und dies abseits von ästhetischen Fragestellungen. Die Schau sei ein Angebot, auch über die soziale und politische Verantwortung der Disziplin zu diskutieren.

Visualisierung: © Sabine Pollak, Michael Obrist und Lorenzo Romito

Für «Agency for Better Living» wird der Österreich-Pavillon in den Giardini für die Dauer der Biennale in eine Wohnung mit Empfangsbereich, Wohnzimmer, Heimkino und Küche umgebaut – wobei in der Küche «Rezepte» für ein besseres Wohnen entwickelt werden sollen. Im Hof wird unterdessen ein pflanzenbestandener und mit Salzwasser gefüllter Pool angelegt, an dem man sich abkühlen kann. Ausserdem sollen rote Faden- und Perlenvorhänge den Pavillon einhüllen.

Ein wichtiger Bestandteil der Schau sind die geplanten Gesprächsrunden am Pool, in denen Fragen des Wohnens diskutiert werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können übrigens Übernachtungen in einem der in der Ausstellung präsentierten Wohnprojekte in Wien oder Rom gewinnen.

Anders als das Hickhack um Österreichs letzten Biennale-Beitrag machte die Vorstellung von «Agency for Better Living» Lust auf die nächste Architekturbiennale. Die Schau verspricht interessant zu werden. Wenn der Vergleich von Wiens sozialem Wohnungsbau mit Roms selbstorganisierten Projekten tatsächlich neue Antworten zutage fördert, ist das Budget von 600'000 Euro gut investiert.

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